Der Begriff „Psychologische Sicherheit“ wird seit einigen Jahren, vor allem von der amerikanischen Soziologin Amy C. Edmondson untersucht.
Definition: „Psychologische Sicherheit ist die Überzeugung, dass die Arbeitsumgebung sicher genug ist, um darin zwischenmenschliche Risiken einzugehen.“ (Edmondson, Die angstfreie Organisation 2018). In Folge von psychologischer Sicherheit können sich Menschen besser auf das Erreichen gemeinsamer Ziele konzentrieren, statt vor allem auf Selbstschutz zu achten. Anders ausgedrückt bietet Psychologische Sicherheit den Raum, gut zusammenzuarbeiten und Bestleistungen zu erreichen.
Als Beispiel für das Fehlen von psychologischer Stärke dient die Geschichte einer gut ausgebildeten Krankenschwester, die sich während einer Visite durch den Chefarzt nicht traut auf ein Medikament hinzuweisen, was dem konkreten Patienten eine Hilfe zur Gesundung wäre. Sie weiß aus der Vergangenheit, dass dieser Arzt höhnisch und demütigend auf Hinweise, Rückfragen oder Vorschläge von Pflegepersonal reagiert und um sich zu schützen hält sie ihr Fachwissen zurück, was fatale Folgen haben kann.
In einer Zeit, in der Planungen schwieriger werden, Umgebungen sich sehr schnell ändern und Dinge, die heute relevant sind, morgen schon überholt sein können, treten bei fehlender psychologischer Sicherheit in Unternehmen vor allem zwei eklatante Probleme auf:
Wo kann Scrum hier helfen? Ein wesentliches Element der Methode Scrum sind die regelmäßigen Retrospektiven. In regelmäßigen Abständen trifft sich ein Team, um eigene Prozesse und Entwicklungen zu hinterfragen und zu verbessern. Bei richtiger Anwendung hat jeder Mitarbeiter den Raum, um seine Vorschläge und Fragen hier einzubringen. Bei richtiger Gestaltung und Moderation durch den Scrummaster gelingt es hier Erfahrungen, Wissen, Hinweise und Trends zu sammeln. Diese dienen in erster Linie zur Verbesserung der eigenen Prozesse, können aber auch, bei Durchlässigkeit der Hierarchien weitergegeben werden.
Ein zweiter Ansatz ist das sogenannte Review, in dem ein Team die Ergebnisse seiner Arbeit dem Kunden vorstellt. Hier ist der Raum, in dem auch Entwickler Verbesserungsvorschläge vorbringen und kreative Rückfragen stellen können. Auch hier hat der Scrummaster die Möglichkeit einen Raum zu schaffen, in dem Bestehendes hinterfragt und verbessert werden kann.
Scrum bietet also eine Kommunikationsstruktur, die bei richtiger Anwendung psychologische Sicherheit fördert. Mit dem Scrummaster hat man einen „Unparteiischen“, der eingreift, wenn Beiträge ignoriert oder schlecht gemacht werden. Wo noch nicht geschehen, ist es also an der Zeit, dass Scrummaster sich das Bewusstsein und die Verantwortung für solche angstfreien Räume zu eigen machen und dies auch gegenüber den darüber liegenden Hierarchien vertreten.
Volker Hubrich